Umrundung Südafrikas
- Sarah Zemp

- Aug 29
- 7 min read
Am 29. Dezember 2024 hiess es für uns: Leinen los – Zeit, die nächste grosse Etappe in Angriff zu nehmen – die Umrundung Südafrikas! Mit einem Rucksack voller Tipps von Einheimischen und Seglerfreunden fühlten wir uns bestens gewappnet. Die erste Strecke führte uns von Richards Bay nach Durban, 92 nautische Meilen.
Ganz bewusst hatten wir uns für eine ruhige Fahrt entschieden. Wir waren schliesslich noch nicht bereit, uns Hals über Kopf in die wilden Kapriolen des Wetters zu stürzen – dafür hatten wir schon genug Geschichten gehört. Immerhin hatten uns alle beruhigt: Wer ohne Stress um Südafrika segeln will, kann das auch gut und ohne Dramen schaffen. Also tuckerten wir fröhlich los, guter Dinge und voller Vorfreude auf das, was uns erwartete.
In Durban angekommen, wurden wir gleich herzlich empfangen: Vincent stand am Steg – und zur Begrüssung hatte er nicht etwa einen Händedruck, sondern eine Flasche Wein parat. Sympathie-Test sofort bestanden! Mit einem Lächeln und jeder Menge Tipps im Gepäck fühlten wir uns gleich wohl. Für Silvester hatte er uns noch einen heissen Tipp: ein italienisches Restaurant hoch über der Stadt, das sich dreht. Wir fanden die Idee klasse und riefen dort gleich an, um zu reservieren.
Am Telefon kam dann die überraschende Frage: „Gehört ihr zu Nick und Thomas?“ – Moment mal… kannten wir die beiden nicht aus Richards Bay, wo wir Nachbarn im Hafen waren? (Für ein Bier hat’s dort nie gereicht – seglerischer Klassiker.) Kurzerhand fragten wir bei Nick nach, ob wir uns ihrer Gruppe für Silvester anschliessen dürften. Er sagte sofort zu, und so feierten wir den Jahreswechsel mit Nick, Sabrina und den Kindern sowie Thomas und Alexandra, einem deutschen Paar.
Und was für ein Silvester das wurde! Hoch oben im Restaurant hatten wir eine grandiose Aussicht auf das Feuerwerk über der Stadt – und dazu gab es Fleisch, Pasta und ein Glas Wein in Gesellschaft neuer Freunde. Ein Abend, der uns bestimmt noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Kaum war das neue Jahr angebrochen, ging es auch schon weiter: Am 1. Januar legten wir Kurs auf East London – rund 265 Seemeilen entfernt. Morgens gab es noch ein kurzes Skipper-Meeting mit Nick und Thomas bei uns an Bord. Während sie etwas früher starteten, entschieden wir uns für einen Abendstart um 17 Uhr. Zwei Tage später, am 3. Januar um 6 Uhr morgens, erreichten wir East London.
Dort legten wir uns an eine Boje im Fluss – eine kleine Premiere, denn diesmal mussten wir unser Schiff an zwei Bojen gleichzeitig festmachen. Grund war die starke Strömung und der enge Platz. Klingt simpel, hat uns aber eine ganze Weile beschäftigt – zwei Bojen gleichzeitig zu erwischen, ist fast wie Jonglieren mit nassen Seilen. Doch am Ende klappte es, und wir lagen sicher.
Auch hier zeigte sich wieder: Die südafrikanische Gastfreundschaft ist unschlagbar! Der kleine Yachtclub war herzlich, jeder offen und hilfsbereit – und natürlich gab es wieder einen Braai, das südafrikanische Pendant zu einem Grillfest. Wir genossen die entspannte Stimmung und hätten glatt noch länger bleiben können.
Nach fünf Tagen, am 8. Januar, tat sich das nächste gute Wetterfenster auf. Nick und Thomas segelten weiter nach Port Elizabeth. Wir entschieden uns, noch 40 Meilen weiter nach Port St. Francis zu fahren – insgesamt also 184 Seemeilen. Wir hatten genug Zeit, da das Wetter es zuliess.
Die Strecke führte uns entlang der berüchtigten Wild Coast. Schon der Name klingt wie ein Kapitel aus einem Abenteuerroman – und tatsächlich hat diese Küste Legenden und Geschichten wie Sand am Meer. Sie war jahrhundertelang gefürchtet, nicht nur wegen der Strömungen und plötzlichen Stürme, sondern auch wegen der unzähligen Wracks, die hier bis heute liegen. Portugiesische Seefahrer im 16. Jahrhundert tauften manche Abschnitte „Höllenküste“, weil sie nach tagelangem Ringen mit Wind und Wellen froh waren, überhaupt noch lebend Land zu sehen. Später, im 19. Jahrhundert, zerschellten hier ganze Handelsschiffe, wenn sie zu nahe an die Felsen gerieten.
Doch diesmal spielte uns Poseidon in die Karten: Statt Drama bekamen wir eine Natur-Show der Extraklasse. Delfine hüpften vor unserem Bug, Seevögel segelten in Formation über uns hinweg, und sogar Seehunde schwammen neugierig vorbei, als wollten sie fragen: „Na, alles klar bei euch da oben?“
So liefen wir bei strahlendem Sonnenschein in Port St. Francis ein – mit dem Gefühl, dass die Umrundung Südafrikas zwar Respekt verdient, uns aber Schritt für Schritt auch jede Menge Glücksmomente beschert.
Und während wir uns dort über die gelungene Etappe freuten, lag er schon in Gedanken vor uns: der grosse Klassiker aller Seglerträume und -Albträume zugleich – das Kap der Guten Hoffnung. Aber dazu später mehr.
In Port St. Francis hatten wir richtig Glück: Wir durften den Platz von John, dem Besitzer der Balance-Werft, benutzen. Diese Marina ist nämlich nicht öffentlich, sondern privat – und wer dort einen Platz bekommt, hat meist jemanden den Hafenmeister an seiner Seite, der die richtigen Kontakte hat.
John selbst baut und testet in seiner Werft die berühmten Balance-Katamarane – schnelle, elegante Multihulls, die unter Seglern weltweit einen ziemlich guten Ruf geniessen. Da gerade kein Katamaran im Wasser war, konnten wir auf seinem Platz liegen. Auch den Preis verhandelt man hier übrigens nicht mit der Marina, sondern direkt mit dem Besitzer. John wollte uns den Platz sogar gratis überlassen – aber das fühlte sich für uns nicht richtig an. Denn dank ihm hatten wir in Port St. Francis eine ganz besondere Zeit.
Eines Morgens holte er uns persönlich ab und führte uns durch seine Werft – für Segler wie uns fast so aufregend wie ein Besuch in Disneyland für Kinder. Danach gab es sogar noch eine kleine Sightseeing-Tour durch die Gegend und zum Abschluss Kaffee bei ihm zu Hause, natürlich direkt am Meer.
John selbst war ein unglaublich herzlicher Mensch. Er meinte, er sei „eigentlich Fischer“, und genau das tat er auch an fast jedem guten Tag: raus aufs Meer, Netze oder Leinen ins Wasser, frischer Fang zurück. Einmal überraschte er uns sogar mit einem frisch gefangenen Fisch – einfach so, als Geschenk.
Doch wie es beim Segeln eben ist, irgendwann heisst es weiterziehen. Am 12. Januar legten wir ab. Und dieser Abschnitt hatte es in sich: hohe Wellen, Wind bis 31 Knoten und Regen – kurz gesagt, nicht die angenehmste Etappe. Aber nach einer durchgeschaukelten Nacht liefen wir am nächsten Morgen um 7:20 Uhr in Mossel Bay ein.
Dort erwartete uns gleich die nächste Herausforderung: die Mole. Oder besser gesagt: dieses scheussliche Betonmonster, das zusammen mit einem kräftigen Tidenhub fast unmöglich machte, das Schiff ordentlich festzubinden, ohne dass es irgendwo kratzte oder rieb. Eigentlich gibt es in Mossel Bay auch einen Ankerplatz – aber bei dem Wetter war daran nicht zu denken. Also mussten wir uns mit der Mole arrangieren und hoffen, dass unser Rumpf nicht beleidigt auf quietscht.
Wir haben Mossel Bay zu Fuss erkundet und dabei einige hübsche Plätzchen entdeckt. Besonders eindrücklich war es, die mächtigen Wellen an der Küste brechen zu sehen – dieses Donnern geht einem durch Mark und Bein. Abends genossen wir ein gemütliches Essen mit Nick und seiner Familie sowie mit Thomas und Alexandra. In Mossel Bay kreuzten sich unsere Wege also erneut, und wie so oft fühlte es sich an wie ein kleines Klassentreffen.
„Zwei Tage verbrachten wir am sogenannten Betonmonster – das seinem Namen alle Ehre macht.“ – und schlussendlich eine Nacht vor Anker. Am 16. Januar feierten wir noch Thomas’ Geburtstag ganz klassisch mit Kaffee und Kuchen, bevor wir uns auf die wohl bedeutendste Etappe unserer Reise vorbereiteten: den Schlag rund ums Kap Agulhas und weiter zum Kap der Guten Hoffnung.
Kap Agulhas – das klingt schon nach Abenteuer. Hier trifft der Indische Ozean offiziell auf den Atlantik. Es ist der südlichste Punkt Afrikas, windumtost, voller Strömungen und für Seefahrer über Jahrhunderte ein Albtraum. Man sagt, an diesem Punkt wird aus jeder Wettervorhersage ein Ratespiel. Wir hatten Glück, konnten die Passage bei guten Bedingungen segeln, doch die See zeigte uns trotzdem, wie unruhig und launisch sie hier ist. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie ungemütlich es bei schlechtem Wetter werden kann.
In der Nacht auf den 18. Januar rundeten wir schliesslich das legendäre Kap der Guten Hoffnung. Schon der Name weckt Seefahrerromantik – und ein kleines bisschen Ehrfurcht. Das Kap war einst der Nadelöhr-Punkt für Handelsschiffe auf dem Weg nach Indien und berüchtigt für seine wilden Stürme. Wir segelten bei guten Bedingungen vorbei, doch die Gischt und der Schwell erinnerten uns daran, warum dieses Kap auch als „Kap der Stürme“ bekannt ist.
Als die Sonne aufging, lag der Tafelberg vor uns – majestätisch, als wolle er uns persönlich in Kapstadt willkommen heissen. Um uns herum tummelte sich eine ganze Parade von Wildtieren: Delfine sprangen durchs Wasser, Wale zeigten ihre Fluken, Seehunde planschten verspielt neben dem Boot – und sogar ein paar Pinguine schwammen wie kleine Gentlemen im Frack an uns vorbei.
Wir waren glücklich und auch ein wenig stolz, ganz Südafrika – eines der anspruchsvollsten Reviere einer Weltumsegelung – erfolgreich umrundet zu haben, und ebenso erleichtert und froh, endlich wieder zurück im vertrauten Atlantik zu sein.
In der Waterfront Marina von Kapstadt hatten wir uns glücklicherweise schon einen Platz reserviert. Dank der Abreise der ARC-Flotte war überhaupt noch ein Plätzchen frei – und das war auch gut so, denn diese Marina ist beliebt und randvoll. Der Platz hat seinen Preis, also entschieden wir uns, nur vier Tage zu bleiben. Doch diese Tage waren prall gefüllt.
Um in die Marina zu gelangen, muss man zwei Brücken passieren, die jeweils nur auf Funkkontakt hin geöffnet werden – ein bisschen wie VIP-Einlass ins Herz von Kapstadt. Drinnen angekommen, erwarteten uns eine quirlig-bunte Welt: Die Marina ist von Seehunden bevölkert, die es sich auf den Stegen bequem machen und mit grunzenden Lauten zeigen, wer hier eigentlich der Chef ist. Rundherum pulsiert die V&A Waterfront, eine Mischung aus Restaurants, Bars, Geschäften, Strassenmusikern und maritimem Flair. Hier trifft Seglerabenteuer auf Grossstadtleben – ein spannender Kontrast.
Wir besuchten unseren Bekannten Jimmy, einen Schweizer, der in Kapstadt lebt und von seinem Zuhause aus einen traumhaften Blick auf den Tafelberg hat. Danach gönnten wir uns Sushi am Strand – frischer geht’s kaum. Ein Highlight war unser Ausflug zum berühmten Boulders Beach: Zwischen riesigen Granitfelsen tummeln sich hier die legendären Brillenpinguine. Es ist einfach zu köstlich, wie sie unbeholfen durch den Sand watscheln, sich ins Wasser stürzen und plötzlich wie kleine Torpedos durchs Meer schiessen.
Auch in Hout Bay trafen wir Segelfreunde, und in der Marina gab es ein Wiedersehen mit anderen Weggefährten. Die Tage waren ausgefüllt mit Begegnungen, Erlebnissen und Entdeckungen – und schon war es Zeit, weiterzuziehen.
Nächstes Ziel: Saldanha Bay, wo wir unsere Peruagus auf eine dreimonatige Abwesenheit in der Schweiz vorbereiten mussten. Die Überfahrt dorthin wurde erneut von Wildlife begleitet: Hunderte Seehunde tauchten auf, und einige Wale zogen vor unserem Bug vorbei – einmal sogar in nur zwei Metern Entfernung. Ein Naturschauspiel, das uns einmal mehr ins Staunen versetzte.
In Saldanha Bay trafen wir auch nochmals Denis mit seiner Familie, die wir bereits in Richards Bay kennengelernt hatten.
Es ist immer wieder schön, bekannte Gesichter auf einer so langen Reise wiederzusehen – fast wie kleine Leuchttürme der Freundschaft entlang der Küste.
























































































































































































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