Mauritius bis Richards Bay
- Sarah Zemp

- Aug 9
- 7 min read
Willkommen auf Mauritius – Ein Empfang wie im Film
Was ich im letzten Blogbeitrag noch verschwiegen habe: In Mauritius warteten bereits unsere Gäste auf uns! Und zwar nicht irgendwer – sondern Thomas’ Bruder Martin mit seiner Frau Rahel sowie unsere lieben Freunde Nuccio und Esther. Wir hatten ursprünglich geplant, zwei Tage vor ihnen anzukommen. Doch das Wetter hatte andere Pläne für uns.
Ein Umweg von satten 500 Seemeilen zwang uns, unsere Route drastisch zu ändern. Trotz aller Hoffnung und Segelkunst erreichten wir Mauritius verspätet – und das erst um 16 Uhr am Nachmittag. Unsere Gäste waren natürlich informiert und verbrachten die Wartezeit in einem charmanten Hotel auf der Insel. Für den nächsten Tag vereinbarten wir ein Treffen um 15 Uhr im Hafen von Port Louis. Doch zuvor lag noch ein ganzer Film vor uns – und wir mittendrin in den Hauptrollen.
Szene 1: Ankunft und Amtsschimmel
Kaum hatten wir angelegt, hiess es: Einklarieren, putzen, waschen, duschen, einkaufen – der übliche Ankunftsmarathon. Am Q-Dock ging es zunächst erstaunlich zügig. Der Health Inspector kam prompt, freundlich und effizient. Doch dann... Stille.
Wir lagen an einer Betonwand, direkt vor einem Restaurant, das eher für Sundowner als für Zollabfertigung gemacht war. Das Boot schaukelte unangenehm im Schwell, festgemacht nur an der Handreling – provisorisch, aber es musste reichen. Eine Stunde später wurde Thomas ungeduldig und befragte einen lokalen Kapitän: „Wo ist eigentlich das Zollbüro?“
Eigentlich durften wir das Boot noch nicht verlassen. Doch Thomas machte sich kurzerhand auf den Weg – nur ein paar Schritte entfernt. Dort angekommen, warteten die Beamten vertieft in ihre Telefone – von Eile keine Spur. Nach all den Tagen auf See, mit dem Wissen, dass unsere Gäste morgen ankommen, war unsere Geduld aufgebraucht. Gegen 18:15 Uhr waren wir endlich fertig – zumindest mit Zoll und Gesundheitskontrolle. Die Immigration sollte am nächsten Tag direkt zum Boot kommen, so wurde uns versichert. Immerhin: Wir durften uns im Hafengelände ein Abendessen gönnen.
Szene 2: Bier im Fünf-Sterne-Hotel
Wir verholten das Boot in die Marina, wo uns Marc und Keith freundlich beim Anlegen halfen – ein kleiner Lichtblick. Endlich fest am Steg! Das musste gefeiert werden. Also machte sich Thomas – zerzaust, ungeduscht, aber glücklich – auf den Weg. Ziel: ein kühles Bier. Er kehrte triumphierend zurück – mit vier Flaschen, geholt "über die Gasse" bei einem benachbarten Fünf-Sterne-Hotel. Ob das angemessen war? Wahrscheinlich nicht. War es nötig? Absolut.
Szene 3: Immigration oder Eskalation?
Am nächsten Morgen – ich war wie immer früh wach nach einer langen Überfahrt – begann ich um sechs Uhr mit dem Putzen. Eine Hafenmitarbeiterin kam vorbei und erklärte mir freundlich, dass wir erneut zurück zum Q-Dock müssten – für die Immigration. Ich erklärte ihr, dass man uns zugesichert hatte, dass die Beamten zu uns kommen würden. Thomas bekam das Gespräch mit – und die Stimmung kippte.
Ein hitziges Wortgefecht im Hafenbüro begann. Nach etlichen Telefonaten mit der Port Control und der wiederholten Versicherung, dass Safety First gelte (angesagt war Starkwind), durften wir schliesslich zu Fuss zur Immigration laufen. Ein kleiner Sieg in einem anstrengenden Kampf.
Szene 4: Der Taxifahrer und die Bank-Odyssee
Jetzt aber: Einkaufen, Geld abheben, Wäsche waschen – die Uhr tickte. Ein netter, etwa 80-jähriger Taxifahrer, von der Marina empfohlen, sollte uns durch den Tag begleiten. Ein liebenswürdiger Mann – allerdings so langsam unterwegs, dass wir gelegentlich von Kinderwagen überholt wurden.
Erster Halt: Geldautomat. Doch der spuckte nicht nur kein Geld aus – er schluckte auch gleich unsere Karte. Wir baten den Fahrer, uns einfach zur nächsten Bank zu bringen – wir hatten ja eine Ersatzkarte. Doch er hatte andere Pläne.
Statt zur Wäsche oder zum Supermarkt brachte er mich, ohne Erklärung, zurück zur Bank – zu einem Gespräch mit dem Direktor höchstpersönlich. Ich erklärte ihm freundlich, dass wir wirklich keine Zeit für eine Bankkrise hatten. Doch der Taxifahrer liess nicht locker – und ich sass im Büro des Direktors. Ergebnis: Nach 30 Minuten war klar, dass auch er unsere Karte nicht zurückholen konnte. Wieder 30 Minuten verloren.
Szene 5: Geschenke, Gutscheine und ein Fruchtsaft
Weiter ging’s zur Wäscherei – Wäsche abladen – und dann endlich zum Supermarkt. Die Uhr zeigte 14:30 Uhr, unsere Gäste sollten in 30 Minuten eintreffen. Also rein in den Laden, Getränke und Snacks geschnappt, schnell zur Kasse, bezahlt – endlich durch? Denkste.
Plötzlich starrten uns alle Angestellten an. Tuscheln. Kichern. Dann die Nachricht: „Sie haben ein Geschenk gewonnen!“ – weil wir so viel eingekauft hatten. Wir erklärten freundlich, dass wir wirklich keine Zeit hätten. Aber alle strahlten so sehr, dass wir nicht nein sagen konnten.
Zum Infoschalter. Formular ausfüllen. Ein Gutschein über umgerechnet einen Franken. "Geht rein, holt euch noch was!" Leider gab es nichts für diesen Preis. Also wählten wir einen Fruchtsaft – der freundlicherweise vom Filialleiter persönlich mitfinanziert wurde. Uns fehlten 10 Rappen, aber auch das wurde grosszügig übernommen, da wir ja noch immer nicht im Besitz von Bargeld waren. Es war eine Szene wie aus einer Komödie – absurd, charmant und völlig surreal.
Szene 6: Showtime mit den Gästen
Wir kamen exakt zeitgleich mit unseren Gästen beim Schiff an. Begrüssung, Umarmungen, Freude – doch von Erholung konnte noch keine Rede sein. Wir waren durchgeschwitzt, übermüdet, voller Eindrücke. Mauritius hatte uns vom ersten Moment an in seinen Bann gezogen – und uns gleichzeitig völlig überrollt.
Was für ein Empfang. Was für ein Tag. Was für ein Film.
Mit an Bord unserer treuen Peruagus hatten wir diesmal besondere Gesellschaft: Freunde, die uns ein Stück unseres Abenteuers begleiten wollten. Gemeinsam erkundeten wir die vielfältige Insel Mauritius – ein Paradies zwischen Zuckerrohrfeldern, tropischer Vegetation und kolonialem Flair.
Unser erster Ankerplatz war Grand Baie, ein lebendiger Küstenort im Norden der Insel, der mit seinem türkisblauen Wasser, bunten Restaurants und einem Hauch von Jetset-Flair sofort Urlaubsstimmung aufkommen liess. Ein weiteres Highlight war unser Aufenthalt in Grande Rivière Noire, einer ruhigen Bucht im Westen von Mauritius, umgeben von grünen Hügeln und unzähligen Möglichkeiten für Ausflüge ins Inselinnere. Inmitten dieser traumhaften Kulisse genossen wir das Bord Leben und liessen die Abende bei Sonnenuntergang und einem Glas Wein ausklingen.
Dann ging es zurück nach Port Louis, der Hauptstadt, die mit ihrem geschäftigen Hafen, dem historischen Fort Adelaide und dem farbenfrohen Zentralmarkt beeindruckt. Hier trifft Kolonialgeschichte auf kreolische Lebensfreude. Dort mussten wir auch wieder ausklarieren.
Nach diesem abwechslungsreichen Aufenthalt hiess es– Kurs La Réunion! Die französische Überseeinsel begrüsste uns mit dramatischer Landschaft, schroffen Vulkanmassiven und tief eingeschnittenen Talkesseln. Um die Insel in ihrer ganzen Vielfalt zu erleben, liehen wir ein Auto und begaben uns auf eine ausgedehnte Rundfahrt. Von tropischen Regenwäldern über beeindruckende Aussichtspunkte bis hin zu den Mondlandschaften rund um den Vulkan Piton de la Fournaise – La Réunion entpuppte sich als echtes Naturjuwel und Kontrastprogramm zur lieblicheren Schwesterinsel Mauritius.
Ein Monat Ruhe auf La Réunion – bevor das nächste Abenteuer rief
Nach der schweren Überfahrt nach Mauritius und den intensiven zwei Wochen mit unseren Gästen war unser Energielevel auf einem absoluten Tiefpunkt. Thomas und ich beschlossen daher, in La Réunion noch eine Weile zu bleiben – einen ganzen Monat, wie sich herausstellen sollte. Wir brauchten dringend Ruhe, Zeit zum Durchatmen und ein wenig Abstand von den stetigen Herausforderungen des Ozeans.
Doch so einfach war das nicht. La Réunion darf man nicht spontan anlaufen – man braucht im Vorfeld eine offizielle Genehmigung. Ausserdem gibt es für Segler nur einen einzigen Hafen, der für Boote wie unseres zugänglich ist: Le Port. Dort sind die Liegeplätze begrenzt. Uns wurde zunächst nur eine Bewilligung für acht Tage erteilt.
Zu diesem Zeitpunkt war die ARC Around the World Rally im Anmarsch, und wie so oft musste die Marina rechtzeitig für die ankommende Flotte geräumt werden – sehr zum Leidwesen vieler Segler, die unfreiwillig Platz machen mussten. Auch wir standen auf dieser Liste. Doch wir gingen regelmässig ins Marina-Büro, erklärten freundlich, aber bestimmt, dass wir momentan weder körperlich noch mental in der Lage seien, die anspruchsvolle Strecke nach Südafrika in Angriff zu nehmen. Im besten Fall hätten wir es zurück nach Mauritius geschafft. Auch warteten wir noch auf Teile für den anstehenden Motorenservice durch Ian.
Vielleicht lag es an unserer offensichtlichen Erschöpfung – vielleicht einfach an einer Portion Glück –, aber am Ende durften wir bleiben, so lange wir wollten. Für uns war das ein riesiges Geschenk.
Der folgende Monat wurde zu einer Zeit der Erholung. Wir unternahmen nur wenig, genossen das ruhige Bordleben, schliefen aus, kochten in aller Ruhe und liessen den Blick oft einfach nur über das Wasser schweifen. Wir trafen Keith und seinen Freund Marc wieder, die wir zum ersten Mal in Mauritius gesehen hatten – damals war allerdings keine Zeit für längere Gespräche. Nun verbrachten wir gemütliche Abende zusammen, mal auf unserem, mal auf ihrem Boot, mal bei einem gemeinsamen Abendessen an Land. Eine neue Freundschaft entstand.
Auch eine besondere Begegnung stand an: Wir trafen Stefan wieder, den wir ganz am Anfang unserer Reise in Les Sables-d’Olonne kennengelernt hatten, als er gerade eine Lagoon überführte. Inzwischen arbeitete er für eine Charterfirma in La Réunion – und erkannte unser Boot sofort wieder. Dieses unerwartete Wiedersehen war eine der Begegnungen, die das Seglerleben so besonders machen.
Langsam, aber sicher kehrten unsere Kräfte zurück. Auch die Lust, wieder in See zu stechen, erwachte. Nun mussten wir nur noch auf das richtige Wetterfenster warten.
Die anspruchsvolle Strecke: La Réunion – Richards Bay
Die Passage von La Réunion nach Richards Bay in Südafrika gilt als eine der anspruchsvollsten im Indischen Ozean. Die rund 1370 Seemeilen führen durch ein Gebiet, das berüchtigt ist für plötzliche Wetterwechsel und starke Strömungen. Besonders gefürchtet ist die Agulhas-Strömung, die sich entlang der südafrikanischen Küste bewegt. Gerät sie in Gegenwind aus südwestlicher Richtung, bauen sich in kürzester Zeit extrem steile und gefährliche Wellenberge auf.
Für viele Yachten ist es unmöglich, diese Strecke am Stück zu segeln. Häufig nutzen Crews Zwischenstopps in Madagaskar oder Mosambik, um sich von Schlechtwetterphasen zu erholen oder diese abzuwarten. Wir hatten diesen Plan B ebenfalls im Hinterkopf.
Aufbruch nach Südafrika
Am 10. November legten wir schliesslich ab. Das Wetter war gut, doch wir wussten: Hier draussen kann sich das binnen Stunden ändern. Die ersten Tage verliefen ruhig, fast schon entspannt. Eine Zeit lang sah es so aus, als müssten auch wir in Mosambik Schutz suchen, doch dann entwickelte sich das Wetter zu unseren Gunsten. Ganz ohne Probleme geht es aber nie. In La Réunion haben wir den Motorenservice machen lassen. Leider vergass der Mechaniker den Motorenöl Verschluss zu schliessen, was für eine Sauerei.
Neun Tage später, am 19. November, erreichten wir Richards Bay. Der Indische Ozean lag hinter uns – und wir waren uns einig: Diesen wilden, unberechenbaren Ozean würden wir nicht noch einmal überqueren.
Vor uns lag nun die Umrundung des Kap der Guten Hoffnung – eine weitere der grossen nautischen Herausforderungen. Aber fürs Erste genossen wir einfach das Gefühl, in Afrika angekommen zu sein.


















































































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